Setz dich hin, wir müssen reden.

In die Küche muss ein Tisch! Für meine Freundin ist das so klar wie Wodka. Sie, als Stadtkind, würde auf eine eigenes Badezimmer verzichten, mehr Miete zahlen oder auch auswandern. Solange es in der Küche einen Tisch gibt. Ich, auf dem Land aufgewachsen hatte noch nie einen Küchentisch. Einen Tisch im Esszimmer und im Wohnzimmer gab es…
So sitze ich nun da. Auf dem Küchentisch. Dem neuen, der so wichtig ist. Der mir erscheint, als würde meine Freundin lieber auf mich als auf den Küchentisch verzichten.
Es ist bereits nach Mitternacht und soeben haben wir den Tisch an die richtige Stelle gebracht. Da sitzen wir nun. Trübselig von dem Glas Whisky nach dem Nachtessen und planen. Wo kommt der Tisch hin? Was passiert an diesem Tisch gemacht? Was bedeutet überhaupt Küchentisch?
„Es ist DER soziale Ort einer Wohnung. Hier passiert alles. Hier redet man über alles, hier verweilt oder verzweifelt man.“ Erzählt meine Freundin aus ihrer Vergangenheit.
„Wo hast du denn mit deinen Freunden die Abende verbracht? Und überlege doch mal, wo wir bei Felix, Kay und Luca verweilten. In der Küche. An einem Küchentisch.“
Es ist tatsächlich so. In einer Stadtwohnung passiert alles irgendwie am Küchentisch. Vor, nach und während dem Essen ist es der Place-to-be. Aber wo habe ich meine sozialen Stunden oder gemütlichen Abende verbracht?
Auf der Couch oder am Esstisch. Mehrheitlich aber auf der Couch, wo denn sonst. Ein paar leere Gläser, Bierdosen und Musikboxen - selten auch mal eine Shisha auf dem Wohnzimmertisch (meint, Beistelltisch beim Sofa). So habe ich ein, zwei gute Abende mit Kollegen in Erinnerung.
Natürlich auch praktisch bedingt. Ich kenne bis auf eine Handvoll keine Küchen auf dem Land, die es zulassen würden Platz für einen Tisch zu haben. Die Küchen sind offen zum Wohnzimmer hin und an allen Wänden gibt es Arbeitsflächen. Wie das bei einer Einbauküche halt so ist. Ich hatte sogar schon eine Küche in der Stadt gesehen, in der man duschen konnte. Auf dem Land ist das Badezimmer aber meist auf einem anderen Stockwerk wie die Küche. Das heisst aber nicht, dass es besser ist.
Denn rückblickend war es genau das, was mir vielleicht fehlte. Ein Küchentisch. An dem man verweilen kann, kaum aufstehen muss um sich morgens einen Kaffee zu machen oder sich Abends nur umdrehen zu braucht um die Flasche Whiskey aus der Bar zu nehmen. Ohne dass man dafür vom Wohnzimmer durch den Gang an der Küche vorbei in das Esszimmer muss.
Jetzt steht er da wo er soll. So, dass man sich nun überlegen kann welchen Stuhl man wohin stellt. Ja, liebe Landmenschen, das muss man sich überlegen. In der Stadt kauft man sich nicht ein Stuhlset bestehend aus sechs Stühlen, sondern läuft an einem armen einsamem Stuhl vorbei, wenn man um 2 Uhr Nachts gerade vom Ausgang nach Hause kommt. Um sich dann mit diesem Stuhl an den Küchentisch zu setzen, um ein gutes, gemütliches Gespräch bei einem Absacker zu führen.
© Dominik Asche